“Ich weiß, dass ich nichts weiß” ist ein Zitat, das Sokrates zugeschrieben wird. Auch wenn es nicht bewiesen ist, ob er das wirklich wörtlich gesagt hat, passt es meiner Meinung nach ganz gut in diese Tage von COVID-19. In den letzten vier bis fünf Wochen habe ich viel mehr im Internet gesurft und auch mehr Zeit vor dem TV-Gerät verbracht als sonst. Dies aber nicht unbedingt aufgrund der Tatsache, dass ich zu Hause eingesperrt bin, sondern hauptsächlich, um mich über den aktuellen Stand und die weltweite Situation rund um die Coronavirus-Krise auf dem Laufenden zu halten. Je mehr Informationen ich jedoch bekomme, desto mehr bin ich verwirrt und verunsichert. Vor ein paar Tagen beispielsweise las ich in einer Online-Zeitschrift einen Artikel über jemanden, der angeblich ein Medikament gefunden hat, das das Virus innerhalb von zwei Tagen abtötet, unmittelbar gefolgt von einem weiteren Artikel, in dem beschrieben wird, dass das Virus höchstwahrscheinlich nicht nur die Lungen, sondern in einigen Fällen auch das Gehirn zerstört, wiederum gefolgt von einem weiteren Artikel, in dem behauptet wird, dass das Virus auch über die Luft übertragen werden kann. Ich lese dann über ein Land, in dem sich die Infektionen so verlangsamen, dass die Regierung beginnt, das Ende der Ausgangsbeschränkungen zu diskutieren, während in einem anderen Land die Zahl der Todesfälle pro Tag so rapide ansteigt, dass das Gesundheitssystem in die Knie gezwungen wird. Heutzutage gibt es jede Menge Blogs, in denen die Menschen ihre Meinung über die Situation im Allgemeinen, aber auch darüber äußern, wie sie die weitere Entwicklung und auch die Zukunft nach COVID-19 sehen. Aus meiner Sicht ist das alles Spekulation. Zumindest heute, am 8. April 2020, dem Tag an dem ich diese Zeilen schreibe.
Das Ende der Ausgangsbeschränkungen
Derzeit am häufigsten besprochen wird das Thema bezüglich des Endes der Ausgangsbeschränkungen. Im Wesentlichen geht es darum, die richtige Balance zwischen dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Vermeidung eines wirtschaftlichen Absturzes zu finden. Dabei werden viele Szenarien diskutiert, die unter anderem die Wiedereröffnung von Schulen, kleineren Geschäften und auch Restaurants Ende April oder Anfang Mai vorsehen. Sicherlich müsste dies mit strengen Vorschriften einhergehen, wie dem Tragen von Schutzmasken, dem Halten von Mindestabstand und einigem mehr. Aber man sollte realistisch bleiben. Wir müssen damit rechnen, dass dann die Zahl der Infektionen nach zwei oder drei Wochen höchstwahrscheinlich wieder ansteigen wird, weil Kinder das Virus von der Schule und Mitarbeiter aus dem Büro mit nach Hause bringen werden. Dies wird dann folglich wieder für einige Zeit zu Ausgangsbeschränkungen führen. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass wir zumindest bis Ende 2020 Wellen der Lockerung und Verschärfung der Beschränkungen sowie Wellen wachsender und abnehmender Infektionen haben werden. Zumindest solange bis wir einen Impfstoff gefunden haben.
Verfügbarkeit eines Impfstoffs
Aber wann wird dieser Impfstoff für alle verfügbar sein? Ich bin absoluter Laie auf diesem Gebiet, also muss ich glauben, was die Spezialisten und Wissenschaftler sagen. Aber auch hier kann man fünf Leuten zuhören und bekommt mindestens drei verschiedene Meinungen. Die Aussagen reichen von Verfügbarkeit im Herbst bis frühestens in zwölf bis achtzehn Monaten. Ich denke wir sind uns alle einig, dass ein paar Monate früher oder später hier einen großen Unterschied machen können. Andererseits, was bedeutet Verfügbarkeit hier genau? Der eine meint damit, einen Impfstoff gefunden zu haben, während der andere von der Verfügbarkeit in großen Mengen für alle spricht. Letzteres ist sicherlich der wichtigste Meilenstein im Kampf gegen COVID-19, aber das wird wahrscheinlich länger dauern als Herbst dieses Jahres. Ich hoffe natürlich, dass ich falsch liege.
Das Schlimmste steht wahrscheinlich noch bevor
Bislang haben wir in Ländern wie Italien, Spanien und seit kurzem auch in Frankreich, Großbritannien und den USA die wirklich schlimmen Auswirkungen von COVID-19 erlebt. Ich spreche in diesem Zusammenhang absichtlich nicht über China, da ich ganz einfach den Informationen nicht glaube, die wir derzeit aus China bekommen. Ich bin überrascht, wie viele Menschen anscheinend vergessen haben, wie China den Informationsfluss allgemein und vor allem die Meinungs- und Redefreiheit kontrolliert. Aber vielleicht ist es auch einfach nur die Sehnsucht nach guten Nachrichten, die heutzutage so selten sind. Diese lässt uns die Bilder aus Wuhan glauben. Die Bilder mit den Menschen, die ihre Masken wegwerfen und den Sieg über das Virus feiern. Am selben Tag, an dem ich dies schreibe, wird in den Nachrichten erwähnt, dass möglicherweise allein in Wuhan 50.000 Menschen am Virus gestorben sind. Diese Annahme basiert auf Aussagen von Menschen, die dort leben. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn das Virus wirklich die weniger entwickelten Länder trifft. Ich kenne Brasilien recht gut, da ich dort zehn Jahre lang gelebt habe. Wer etwas mehr über dieses Land von einem „Insider“ erfahren will, empfehle ich mein Buch „Jenseits von Samba und Karneval“ (Taschenbuch oder eBook). Ich würde Brasilien im Allgemeinen nicht als Entwicklungsland bezeichnen, aber ein konkretes Thema, das mir Sorgen macht, gerade auch im Hinblick auf meine Freunde und Bekannten dort, ist das völlig unterentwickelte Gesundheitssystem. Wenn wir in Deutschland davon sprechen, dass wir in unseren Krankenhäusern möglicherweise sehr bald an unsere Grenzen stoßen werden, befinden wir uns im Vergleich zu Brasilien immer noch in einer sehr luxuriösen Position. Wenn Brasilien ein ähnliches Niveau an Infektionen im Verhältnis zur Bevölkerung aufweist wie Italien oder Spanien… ich möchte mir das nicht vorstellen.
Ignorante Politiker
Eines der Probleme in Brasilien in der aktuellen Situation ist ihr derzeitiger Präsident Jair Bolsonaro. Der ist mittlerweile bekannt für seine extremen Positionen und Äußerungen, aber jetzt bringt er das Ganze noch einmal auf eine andere Ebene. Bis heute spielt er die ganze Situation immer noch gerne herunter. Er behauptet öffentlich im Fernsehen, dass er keine Angst vor dem Virus habe, da er “ein Ex-Sportler ist, der höchstens eine kleine Erkältung bekommen würde, falls er sich infiziert”. Darum müsse sich auch die Bevölkerung überhaupt keine Sorgen machen. In den Favelas von Rio de Janeiro wird angeordnet, zu Hause zu bleiben und sich nicht in Gruppen zu versammeln. Diese Anordnung kommt jedoch nicht von der Regierung, sondern von den lokalen Drogenbossen. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Donald Trump hat COVID-19 lange Zeit auf ähnliche Weise ignoriert. Jetzt muss die US-Bevölkerung vor allem in Städten wie New York dafür bezahlen. Akzeptiert Trump jetzt endlich, dass er einen Fehler gemacht hat? Mitnichten. Er wirft nun der WHO vor, ihre Arbeit nicht richtig gemacht zu haben. Man kann in diesem Zusammenhang sicherlich noch ein paar weitere Führungspersönlichkeiten erwähnen, aber die Pole-Position geht eindeutig an Präsident Lukaschenko aus Weißrussland, der das Virus schlichtweg ignoriert, da er “es nicht herumfliegen sehen kann und zwei Stunden in der Sauna mit genügend Wodka es sowieso abtöten”. Wir werfen gerne unseren Politikern in Deutschland vor, dass sie ihre Arbeit nicht richtig machen. Aber alles ist relativ. Im Vergleich zu dem, was in einigen anderen Ländern vor sich geht, machen unsere Politiker zumindest meiner Meinung nach im Moment einen ziemlich guten Job.
Die Welt nach COVID-19
Sicherlich wird es eine Welt nach COVID-19 geben. Die erste Frage ist, wie man den Begriff “nach der Krise” definiert, und die zweite, wann dies geschehen wird. Es gibt mittlerweile Hunderte von Artikeln und Blogs, in denen beschrieben wird, wie wir aus all dem lernen werden, wie die Menschen ihr Verhalten in vielen Bereichen wie Reisen oder Umweltschutz ändern werden, wie die Gesellschaft weniger egozentrisch sein und enger zusammenhalten wird, und vieles andere mehr. Ich hoffe wirklich, dass das alles wahr wird, und werde auf jeden Fall mein Bestes tun, um dazu beizutragen. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht daran. Auch im Moment gibt es leider noch viele Menschen, die versuchen, sich an der Krise zu bereichern. Und es gibt die Bolsonaros, die Trumps und die Lukaschenkos. Sie alle werden nicht verschwinden, wenn das Virus verschwindet. Und wenn sie verschwinden, werden wieder andere mit ähnlichen Ansichten und Gesinnungen kommen. Die meisten Menschen werden sehr schnell wieder in ihr Hamsterrad zurückkehren und mit ihrem Leben wie vor COVID-19 weitermachen. Ich hoffe sehr, dass ich in dem Punkt falsch liege, aber zumindest im Moment….
… wissen wir, dass wir nichts wissen.
Bleiben Sie gesund!