Vor einigen Tagen habe ich einen Artikel gelesen, der sich mit der Frage von Führungskräften nach dem Sinn ihrer Tätigkeit beschäftigt. Dabei ging es konkret um Manager, die sich trotz Coronakrise unbedingt verändern wollen. Der Auslöser dafür waren offensichtlich Fragen wie „Was hält mich eigentlich in meiner jetzigen Aufgabe und in meiner jetzigen Firma?“ oder „Wie sinnvoll ist das überhaupt, was ich tue?“. In dem Artikel wird spekuliert, ob Lockdown und Homeoffice zu mehr Abstand zum Unternehmen, mehr Zeit mit der eigenen Familie, mehr Reflexion und mehr Bewusstheit geführt hat. Hatten Führungskräfte vielleicht endlich mal wieder die Zeit über den Sinn ihrer Arbeit und damit auch den Sinn ihres Lebens nachzudenken?
Wieder gestalten können
Es gibt sicherlich Menschen, die einfach höhere Ziele anstreben wie beispielsweise dabei zu helfen, die Welt ein bisschen besser zu machen und deshalb nur noch in nachhaltigen Branchen zu arbeiten. Viele wollen aber einfach nur wieder mehr Zeit für Familie und Privatleben haben. Ich bin mir allerdings auch sicher, dass viele Manager, gerade diejenigen, die schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel haben, über einen Wechsel nachdenken, weil sie aus dem ganzen Kreislauf der Reportings, der endlosen Meeting-Marathons und der internen politischen Spielchen herauswollen. Man verzichtet gerne auf Titel, große Teams und wahrscheinlich auch auf einen Teil seines Gehalts, wenn man einfach wieder Wertschätzung für seine Arbeit bekommt und das Gefühl hat, wirklich etwas gestalten zu können.
Höher, schneller, weiter
Selbst in der größten Krise der Nachkriegszeit – mit dieser Floskel übertreibe ich sicherlich nicht – scheint immer noch in vielen Unternehmen das Prinzip „höher, schneller, weiter“ die einzige Maxime zu sein. Während um einen herum die Firmen und Läden schließen und tausende von Mitarbeitern schon Monate in Kurzarbeit oder mittlerweile arbeitslos sind, wird in anderen Unternehmen kritisch hinterfragt, warum man die Krise nicht als Vorteil nutzen konnte. Warum man nicht noch mehr gewachsen ist wie beispielsweise Amazon, Netflix, Zoom oder HelloFresh. In solchen Situationen wird dann der ein oder andere verdiente Manager ganz schnell mal als Versager abgestempelt, obwohl er nachweislich sein Schiff ganz gut durch den Sturm gesteuert hat. Ich kenne einige Führungskräfte, die ständig gegen die Frage „Warum wachsen wir nicht noch schneller?“ ankämpfen mussten und angekämpft haben. Diese wurden dann oft mehr oder weniger höflich gebeten, ihren Stuhl zu verlassen, um einem Nachfolger Platz zu machen, der die Herde schneller vor sich hertreibt. Dieser wiederum fährt dann aber nicht selten den sprichwörtlichen Karren komplett an die Wand.
Längerfristig denken
Gerade jetzt brauchen wir Führungskräfte, die die Bodenhaftung nicht verloren haben, und die Krisen wie diese nutzen, um eine Veränderung der Führungs- und Unternehmenskultur herbeizuführen. Das heißt keineswegs, dass wir ab sofort jedes Unternehmen zum Streichelzoo machen sollten. Natürlich muss man den wirtschaftlichen Erfolg im Auge haben, nach gesundem Wachstum streben und sich herausfordernde Ziele setzen. Aber man sollte sich nicht vom kurzfristigen Shareholder-Value treiben lassen. Langfristiger Erfolg kommt am Ende auch den Aktionären zugute. Aber vielleicht eben eher denen, die auch Interesse an einer langfristigen Investition haben.
Der ideale Job
Viele ehemalige Manager stellen sich irgendwann die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit und schlagen dann proaktiv einen ganz neuen Weg ein. Das hat auch mich selbst schon vor 15 Jahren zum ersten Mal zu solch einem Schritt bewegt, den ich bis heute niemals bereut habe. Ganz im Gegenteil. Was antworten die meisten Manager auf die Frage, wie sie sich den idealen Job vorstellen? Zuerst hört man immer die üblichen Floskeln. Wenn man dann aber mal nach den spontanen, den ehrlichen Antworten fragt, die den Leuten wirklich im Kopf herumschwirren, sieht die Welt plötzlich ganz anders aus.
Wert schaffen
Kurz nachdem ich den in der Einleitung beschriebenen Artikel gelesen hatte, stellte ein Teilnehmer in einer TV-Talkshow die Frage, warum viele Firmengründer heute primär nur darauf aus sind, so schnell wie möglich den Wert des Unternehmens zu steigern, um es dann am Ende möglichst teuer zu verkaufen und die Teilhaber oder Aktionäre reich zu machen. Er meinte dann etwas provokativ, dass man doch Unternehmer dazu verpflichten sollte, den gesamten Gewinn wieder in die eigene Firma zu investieren, um echte Werte zu schaffen, um mehr Innovationen zu treiben, um die Mitarbeiter weiterzubilden und zu fördern. Ja, und auch um den Mitarbeitern ein ordentliches Gehalt zu zahlen. Verpflichten kann man die Unternehmer dazu sicherlich nicht, aber freiwillig könnten sie schon einmal darüber nachdenken. Zumindest diejenigen, die daran interessiert sind, dass die Mitarbeiter sich nicht die Frage nach dem Sinn stellen.