Startups und Scale-ups sind sehr dynamische Umfelder, die von schnellem Wachstum, Innovationsdruck und ständigem Wandel geprägt sind. Die Herausforderungen, denen Gründer und junge Unternehmen begegnen, sind groß und zahlreich – und oft bleibt wenig oder eher gar keine Zeit, um sich mit der Entwicklung von Führungskompetenzen und dem Thema Führungskräfteentwicklung auseinanderzusetzen. Dabei ist gerade dies entscheidend, um nicht nur das Tagesgeschäft zu bewältigen, sondern auch die Grundlage für nachhaltiges Wachstum und langfristigen Erfolg zu schaffen.
Fachkompetenz ist nicht gleich Führungskompetenz
In jungen Unternehmen werden Führungsebenen oft spontan und reaktiv eingeführt. Das Team wächst, die Komplexität steigt, und plötzlich wird klar, dass die Gründer nicht mehr alle Aufgaben allein stemmen können. Neue Führungskräfte werden häufig aus dem bestehenden Team rekrutiert, weil sie fachlich überzeugen und das Unternehmen gut kennen. Doch Fachkompetenz ist nicht gleich Führungskompetenz. Hier entstehen oft Probleme, die sich negativ auf die Unternehmenskultur und -effizienz auswirken können. Ein weiterer Faktor ist sehr oft die mangelnde Erfahrung der Gründer in Personal- und Führungsthemen. Besonders in Tech-Startups stammen Gründer häufig aus technischen oder wissenschaftlichen Disziplinen, in denen Personalmanagement keine zentrale Rolle spielt. Wichtige Aspekte wie klare Kommunikation, Feedbackkultur oder das Fördern von Talenten kommen dann zu kurz.
Warum Coaching für Führungskräfte?
Gezieltes Coaching für Führungskräfte ist ein wirkungsvolles Instrument, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Während in großen Unternehmen das Thema Führungskräfteentwicklung seit Jahrzehnten etabliert ist, wird es in Startups oft immer noch vernachlässigt. Dabei sind gerade hier die Vorteile offensichtlich:
- Skalierbare Organisationsentwicklung: Ein solides Fundament in der Führungskompetenz sorgt dafür, dass die Organisation mit dem Unternehmen wachsen kann. Es hilft, Chaos zu vermeiden und Strukturen zu schaffen, die sowohl Flexibilität als auch Stabilität bieten.
- Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor: Die Unternehmenskultur entwickelt sich oft unbewusst und kann schnell in eine unerwünschte Richtung abdriften. Führungskräfte, die sich ihrer Rolle bewusst sind, können gezielt eine positive Kultur vorleben und verankern.
- Steigerung der Mitarbeiterbindung: Gerade in der Wachstumsphase ist es entscheidend, Talente nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten. Gut geführte Teams sind motivierter, produktiver und loyaler.
- Entlastung der Gründer: Indem sie Führungsaufgaben delegieren und gleichzeitig sicherstellen, dass diese professionell umgesetzt werden, gewinnen Gründer mehr Zeit für strategische Aufgaben und Entscheidungen.
Aspekte des Führungskräfte-Coachings
Es gibt viele Formen und Alternativen des Führungskräfte-Coaching. Ein effektives Coaching-Programm für Führungskräfte in Startups sollte auf jeden Fall folgende Aspekte abdecken:
- Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung: Führung beginnt mit Selbstführung. Gründer und Führungskräfte müssen ihre eigenen Stärken, Schwächen und blinden Flecken kennen.
- Praktische Werkzeuge: Kommunikationstechniken, Konfliktmanagement, Delegieren und Entscheidungsfindung – diese Kernkompetenzen sollten praxisnah vermittelt werden.
- Individuelle Ansätze: Jedes Unternehmen und jede Führungskraft haben spezifische Herausforderungen. Ein gutes Coaching geht individuell auf diese ein und bietet maßgeschneiderte Lösungen.
- Regelmäßigkeit: Ein einmaliger Workshop reicht nicht aus. Kontinuierliche Betreuung sorgt dafür, dass Führungskompetenzen nachhaltig verankert werden.
Führungskräfteentwicklung ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit – gerade in Startups und Scale-ups. Sie bildet das Rückgrat einer gesunden Organisationsentwicklung und stellt sicher, dass das Unternehmen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ wachsen kann. Gründer und C-Level-Manager sollten gezielt in die Führungskompetenzen ihres Teams und in ihre eigenen investieren. Die Kosten und der Zeitaufwand für Coaching und Entwicklung sind gering im Vergleich zu den Risiken, die eine mangelnde Führungsqualität mit sich bringt. Wer rechtzeitig handelt, legt den Grundstein für langfristigen Erfolg – und schafft ein Unternehmen, das nicht nur innovativ, sondern auch nachhaltig erfolgreich ist.
Welcher Führungsstil passt am besten?
Es gibt unzählige Bücher und Artikel über Führungsstile und jeder Führungsstil hat sicherlich seine Vor- und Nachteile. Gerade in Startups und Scale-ups habe ich des Öfteren gehört, dass man die Mitarbeitenden „an der kurzen Leine halten muss“. Dies wird nicht selten auch durch den Druck von Investoren verstärkt, bei denen nicht immer die langfristige Organisationsentwicklung und die Entwicklung einer Firmenkultur, sondern andere Ziele wie überdurchschnittliches Wachstum im Vordergrund stehen. Nach vielen Jahren, in denen ich unzählige Teams aufgebaut, übernommen, umgebaut und zumindest aus meiner und deren Sicht auch meist erfolgreich geführt habe, bin ich ein großer Verfechter des coachenden Führungsstils, der primär durch folgendes geprägt ist:
- Verantwortung an das Team übertragen
- Aufgaben an das Team delegieren
- Das Team ermutigen, bewusst Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren
- Aufzeigen, wie das Team zu den übergeordneten Zielen beiträgt
- Die Mitarbeitenden unterstützen, erfolgreich zu sein und sich zu entwickeln
Coachendes Führen schafft Engagement, baut Beziehungen auf und verbessert die Leistung des gesamten Teams. Coachende Führungskräfte sehen sich selbst als erfolgreich, wenn ihr Team erfolgreich ist. Sie delegieren und befähigen damit die Team-Mitglieder, an herausfordernden Aufgaben zu arbeiten. Sie sorgen dafür, dass die Mitarbeitenden über alle notwendigen Mittel verfügen, um erfolgreich zu sein. Coachende Manager haben Empathie und schaffen so ein Umfeld, in dem jeder seine Stärken entfalten kann. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei hier gleich gesagt, dass es natürlich Situationen gibt, in denen coachende Führung nicht angemessen ist und sehr wahrscheinlich auch gar nicht funktioniert. In Krisensituationen beispielsweise muss man dann vielleicht auch mal einen mehr autoritären und direktiven Führungsstil anwenden. Diese Balance zu schaffen ist nicht immer leicht, ganze besonders für junge Führungskräfte, die unter dem Druck stehen, schnelle Erfolge vorzuweisen.
Die richtige Mischung macht den Unterschied
In meiner Arbeit mit Startups und Scale-ups habe ich viele Facetten von Führung gesehen – von absolut direktivem Mikromanagement bis hin zur „Wohlfühloase“. Eines kann ich zweifelsfrei feststellen und auch belegen: beide Extreme führen nicht zum Erfolg. Während Mikromanagement kurzfristig möglicherweise einige gewünschte Ergebnisse bringt, führt es schnell zu Demotivation und später auch Fluktuation, insbesondere bei den Leistungsträgern, die man eigentlich gerade in schwierigen Zeiten braucht. Wird es im Team zu angenehm und „kuschelig“, fehlen oft die wirklich messbaren Ergebnisse und es geht wenig oder auch gar nichts voran. Bei denen, die im Team wirklich etwas bewegen wollen, schlägt das dann sehr schnell in Unmut um. Denn in solchen Teams wird es nicht gerne gesehen, dass jemand den Kopf herausstreckt und sich dadurch möglicherweise mit seiner oder ihrer Leistung über die der anderen stellt. Wie bei vielem liegt auch hier der richtige Weg irgendwo in der Mitte. Wann muss ich „die Zügel anziehen“ und wann kann ich dem Team wieder mehr Eigenverantwortung geben? Dieses Gespür muss eine gute Führungskraft mitbringen oder erlernen. Die besten Führungskräfte verstehen es, ihre Führung allmählich zu reduzieren, so dass die Mitarbeitenden Schritt für Schritt eigenständiger werden. Feedback und konstruktive Kritik sind dabei außerordentlich wichtig. Und noch wichtiger sind Empathie und Vertrauen. Man muss Personen auch auf einer emotionalen Ebene verstehen. Dafür ist viel Einfühlungsvermögen erforderlich. Man muss beispielsweise Körpersprache lesen können und sollte die persönlichen Umstände jedes Einzelnen respektieren. Gerade diese emotionale Ebene muss man mitbringen. Diese ist nur schwer oder gar nicht zu erlernen. Deshalb ist eben nicht der beste Entwickler auch der beste Entwicklungsleiter oder die beste Vertriebsmitarbeiterin die beste Vertriebsleiterin. Warum sage ich das explizit noch einmal hier? Weil genau das eben oft der Weg ist, neue Führungspositionen in Startups und Scale-ups zu besetzen.
In der Krise zeigt sich die Kompetenz
In den ersten Jahren eines erfolgreichen Startups, wenn alles in die richtige Richtung läuft, wenn man überdurchschnittliche Wachstumsraten hat, weil man mit dem richtigen Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, ist jeder ein Held und alle liegen sich in den Armen. Der Erfolg überdeckt Defizite in der Organisation und bei Neueinstellungen wird oft nicht so genau hingeschaut, weil man einfach so schnell wie möglich Unterstützung braucht, um den Ansturm der Kunden zu bewältigen. Aber dieser Trend hält natürlich nur begrenzt an. Das Wachstum verlangsamt sich irgendwann oder stagniert sogar. Plötzlich kommt man in schwierigere Fahrwasser. Im schlimmsten Fall deckt der Umsatz nicht mehr die mittlerweile stark gestiegenen Kosten. Dann ändert sich auch das Betriebsklima sehr schnell. Alles wird wieder zur „Chefsache“ gemacht, weil die im Erfolgsrausch kurzfristig ernannten Führungskräfte mutmaßlich überfordert sind und nicht mehr ihren Job machen. Aber hat man diesen Führungskräften wirklich die Chance und allem die nötigen Grundlagen an die Hand gegeben, um wirklich den Job zu machen, den man von ihnen erwartet? Gerade wenn die Dinge mal nicht mehr so laufen oder man sich sogar in einer handfesten Krise befindet, sind Führungskräfte, die ihr Team durch solche Phasen coachen erst recht gefragt. In Krisenzeiten kommt typischerweise plötzlich vieles zum Vorschein, was eigentlich vorher auch schon da war, aber bewusst oder unbewusst unter den Teppich des gemeinsamen Erfolgs gekehrt wurde. Entscheidungen werden dann wieder vom Gründer oder vom C-Level top-down getroffen und Mikromanagement ist angesagt. Man stellt auf einmal fest, dass alles doch gar nicht so harmonisch ist, wie es den Anschein hatte. Jetzt fehlen die echten Team Leads. Jetzt fehlt die Führungskompetenz, in die man nicht wirklich investiert hat. Genau deswegen kann man mit der Führungskräfteentwicklung und dem Coaching für Führungskräfte nicht früh genug anfangen. Am besten dann, wenn alles rund läuft und man den Freiraum und die finanziellen Mittel dazu hat. Dann übersteht man auch die stürmischen Zeiten erfolgreich.