Es wurden schon Millionen Bücher, Artikel und Blogs über Führung im Allgemeinen oder das richtige Führen von Mitarbeitern geschrieben. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen wird das Thema immer wieder gern aufs Neue und auch sehr kontrovers diskutiert. Natürlich ist die Art der Mitarbeiterführung sehr von der Persönlichkeit der jeweiligen Führungskraft und auch der seiner Mitarbeiter abhängig, aber die Prinzipien bleiben trotzdem immer wieder die gleichen. Auch Führung muss heute agile Führung sein.
Der typische „Chef“
Ja, es gibt ihn immer noch. Den typischen „Chef“, der alles und jeden kontrolliert, der die Mitarbeiter an der ganz kurzen Leine hält, der keine Verantwortung überträgt oder Freiraum lässt, und der beim erfolgreichen Abschluss eines Projekts gerne das ganze Lob für sich selbst einholt. Falls das Projekt scheitert, waren es natürlich die unfähigen Mitarbeiter, die sich nicht an die Vorgaben des Chefs gehalten haben. Und dann fällt noch gerne der Satz: „Wenn ich nicht immer alles kontrolliere, geht es schon schief“. Dies führt über kurz oder lang zur Demotivation der Mitarbeiter, die keinen Grund darin sehen, eigene Lösungsvorschläge zu entwickeln. Innovation wird praktisch im Keim erstickt. Aber auch für die Führungskraft endet das nicht selten in Überforderung und das Risiko, dass falsche Entscheidungen getroffen werden, steigt erheblich an.
Laissez-faire
Am anderen Ende der Skala gibt es dann diejenigen Führungskräfte, die den Laissez-faire-Führungsstil bevorzugen. Der verzichtet weitgehend auf das Eingreifen des Vorgesetzten in die Arbeitsabläufe. Die Mitarbeiter sind keinen Regeln unterworfen, entscheiden eigenständig und kontrollieren sich sozusagen selbst. Hört sich toll an für die Mitarbeiter und auch der Vorgesetzte kann sich bequem zurücklehnen, anstatt sich mit wirklichen Führungsaufgaben herumzuschlagen. Leider führt dieser Führungsstil zu nichts außer abnehmender Disziplin. Ziele werden nicht erreicht, die Mitarbeiter nutzen ihre Freiheiten aus und es entsteht eine Planlosigkeit, die am Ende nicht selten zu chaotischen Zuständen führt. Es kann dann sogar der Wunsch nach einer wirklichen Führungsperson entstehen. Es fehlt das Feedback des Vorgesetzten und somit lassen Motivation und Leistung nach. Ein bisschen ähnelt das der antiautoritären Erziehung bei Kindern. Das mündet aus meiner Sicht in sehr ähnliche Probleme.
Welcher Führungsstil ist der richtige?
Zwischen den beiden erwähnten Führungsstilen, die sich jeweils an den Enden der Skala befinden, gibt es natürlich noch viele Varianten. Darüber gibt es wiederum unzählige Abhandlungen, die diese verschiedenen Varianten auch versuchen zu definieren und kategorisieren. Doch richtige Führung hat für mich nichts mit Theorien zu tun. Warum? Ganz einfach. Weil gute Führung von so vielen Faktoren abhängt. Der Art der Tätigkeit, der Größe des Teams, der örtlichen Nähe oder Distanz der Teammitglieder, der Fähigkeiten der Team-Mitglieder und noch vieles mehr. Aber am meisten hängt es am Ende von jedem einzelnen Mitarbeiter selbst ab. Denn hinter jedem Mitarbeiter steht ein Mensch und eine individuelle Persönlichkeit. Deswegen kann ich auch für mich selbst die Frage nach dem richtigen Führungsstil nicht wirklich einfach beantworten. Was in einem Fall richtig ist, kann im anderen Fall falsch oder zumindest unangebracht sein.
Agile Führung
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass Führung immer individuell angepasst werden, eben eine agile Führung sein muss. Einem erfahrenen Mitarbeiter kann und muss ich mehr Verantwortung übertragen und versuchen, seine Erfahrung bestmöglich für das ganze Team zu nutzen. Einen neuen jungen Mitarbeiter muss ich langsam an seinen Job heranführen, ihm aber auch Schritt für Schritt immer mehr Verantwortung übertragen, damit er sich weiterentwickeln kann. Für alle aber muss es gemeinsame Ziele geben, auf die das gesamte Team hinarbeitet. Jeder sollte sich mit diesen Zielen identifizieren und es sollte vor allem auch klare Deadlines geben. Innerhalb dieser Ziele und Deadlines sollte dem Mitarbeiter dann die Freiheit gegeben werden sich selbst zu managen und hoffentlich kreative Lösungen zu finden. Erfahrene Mitarbeiter werden weniger nach Unterstützung fragen, unerfahrene erfahrungsgemäß sehr viel mehr. Wichtig ist, dass man immer ein offenes Ohr und eine offene Tür hat. Die offene Tür ist hier wörtlich gemeint, wenn man nicht schon sowieso in einer offenen Arbeitsumgebung sitzt. Geschlossene Managerbüros mit Vorzimmersekretärinnen sollten schon lange ausgedient haben. Muss man manchmal auch Autorität walten lassen? Natürlich! Deswegen ist man schließlich Führungskraft. In manchen Fällen müssen Entscheidungen „von oben“ getroffen werden. Die absolute Demokratie funktioniert nicht. Nicht in einem Staat und auch nicht in einem Unternehmen. Die Frage ist immer, wie gut man den Hintergrund seiner Entscheidung erklären kann. Wenn das gelingt, wird man auch die Teammitglieder mitnehmen, die anderer Meinung sind, weil sie sich dem Teamgedanken unterordnen und dann auch mit an einem Strang ziehen („disagree and commit“).
Mitarbeiterentwicklung
Jeder Mitarbeiter, oder zumindest die große Mehrheit, hat klare Vorstellungen, was er oder sie zumindest mittelfristig erreichen will. Sehr oft passt das auch mit den Fähigkeiten des Einzelnen zusammen. Manchmal auch nicht, was meist auf einer hohen Diskrepanz von Eigen- und Fremdwahrnehmung beruht. Deswegen ist es sehr wichtig, dass man über die persönliche Entwicklung mit jedem einzelnen spricht, Und nicht nur spricht, sondern auch gemeinsam einen entsprechenden Plan erarbeitet. Hier meine ich nicht monströse, ausgeklügelte Systeme und Prozesse, die man über jeden Mitarbeiter stülpt und dann womöglich noch eine künstliche Intelligenz einen Entwicklungsplan erstellen lässt. Mit persönlicher Entwicklung meine ich hier wirklich persönlich. Man sollte gemeinsam erarbeiten, welcher mögliche Karriereweg den Interessen und vor allem den Fähigkeiten des Mitarbeiters am ehesten entspricht und dann über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten festlegen, welche Trainings, Aufgaben und Projekte den Mitarbeiter auf genau diesen Weg bringen können.
Der richtige Mix bringt den Erfolg
Wie schon erwähnt gibt es für mich nicht den einen idealen Führungsstil. Je nach Mitarbeiter und auch Situation muss man abwägen zwischen ein wenig autoritär oder dann auch wieder eher laissez-faire. Man muss den richtigen Mittelweg finden zwischen engem regelmäßigem Austausch, wenn die Dinge nicht so gut laufen, und dann auch wieder dem Sich-Zurückziehen, wenn alles in die richtige Richtung geht. Vorschläge machen und Anstöße geben, wenn die Dinge ins Stocken geraten, und Kreativität walten lassen, wenn die Ideen nur so sprudeln. Das agile Arbeitsumfeld braucht auch agile Führung.
Ein Thema muss ich in dem Zusammenhang noch aufgreifen, was gerade dann manchmal heikel wird, wenn die Dinge nicht so optimal laufen und wieder einmal etwas mehr Autorität nötig ist. Nicht selten besteht zwischen Führungskraft und dem ein oder anderen Mitarbeiter auch ein freundschaftliches Verhältnis. Man trifft sich privat und kennt sich eben auch von einer anderen Seite. Hier gibt es die alte, einfache und wahrscheinlich eher nicht agile Regel, die immer noch gilt: „Arbeit ist Arbeit und Schnaps ist Schnaps“. Und das ohne Kompromisse.