Steven Feurer und ich haben uns bei einem mittelständischen Software-Unternehmen kennengelernt. Er war damals CTO, ich war Head of Global Sales. Das sind nicht unbedingt die beiden Positionen im Management, die täglich miteinander zu tun haben. Aber Steven hatte immer auch ein gutes Verständnis für Markt und Kunden, so wie mir als Informatiker die Welt der Softwareentwicklung keinesfalls fremd war. So haben wir es in jener Zeit geschafft, unsere Teams sehr viel näher zusammenzubringen, und haben nicht zuletzt dadurch auch gemeinsam ein neues Produkt auf den Markt gebracht. Nachdem wir beide zeitlich leicht versetzt das Unternehmen verlassen hatten, haben wir auch nachher immer wieder sporadisch Kontakt gehalten. Dann kam der Tag, von dem an sich dieser Kontakt erheblich intensivieren sollte. Aus sporadischen Treffen wurden regelmäßige Meetings fokussiert auf eine Geschäftsidee, über die mir Steven im Sommer 2022 zum ersten Mal erzählt hat.
Aus Stevens Idee entsteht pyraCode
Steven hatte neben IT noch eine weitere Passion: die Ägyptologie. Er war schon einige Jahre aktiv am South Asasif Conservation Project in Ägypten beteiligt. Stevens Kollegen dort haben einen bewegenden Nachruf nach seinem Tod veröffentlicht, der einschließlich eines Videos unter diesem Link zu finden ist. Stevens Leidenschaft für IT und Technologie war die Grundlage seiner beruflichen Laufbahn, die Ägyptologie und seine Zuneigung für das Land und die Menschen in Ägypten waren seine private Leidenschaft. Er hatte sogar noch Anfang 2023 begonnen, an der Ludwig-Maximilians-Universität in München in Ägyptologie zu promovieren. Im Sommer 2022 also fragte mich Steven, ob ich Interesse hätte, mit ihm zusammen ein Unternehmen zu gründen, um seine Vision in die Realität umzusetzen: Softwareentwicklungsteams für IT-Unternehmen aufzubauen und dabei gleichzeitig IT-Talente in Ägypten zu unterstützen und zu fördern. Ich habe nicht lange überlegt. Nicht nur deshalb, weil ich in der Lage sein würde, meinen Kunden auch Softwareentwicklung als zusätzliche Dienstleistung anzubieten, sondern vor allem, weil ich wusste, dass wir gut zusammenarbeiten und uns hervorragend ergänzen werden. Genauso wie schon ein paar Jahre vorher in dem Unternehmen, in dem wir uns kennengelernt hatten.
Der Weg zur Gründung war erstmal holprig
Die Zeit vor der Gründung des Unternehmens und auch der Gründungsprozess selbst war eine Reise mit einigen Höhen und Tiefen. Bei einer Firmengründung in zwei sehr unterschiedlichen Ländern steht da schon mal die ein oder andere bürokratische Hürde im Weg. Manchen Abend und manches Wochenende haben wir für Planung und Vorbereitung geopfert, da wir beide unter der Woche schon ganz gut anderweitig beschäftigt waren. Uns war von Anfang an klar, dass wir auch Ägypter mit ins Boot holen müssen, um dieses Geschäftsmodell wirklich erfolgreich zu machen. Auch hier lief dahingehend nicht gleich alles rund, um es vorsichtig auszudrücken. Die persönliche Enttäuschung bezüglich eines potentiellen Kandidaten saß insbesondere bei Steven damals so tief, dass zwischenzeitlich das ganze Projekt sogar einmal kurz auf der Kippe stand. Aber schließlich haben wir dann doch mit Mahmoud aus Kairo den richtigen Partner gefunden und unser Gründerteam komplettiert. Das war dann der endgültige Startschuss für pyraCode. Am 20. Februar 2023 haben wir im ersten Schritt die pyraCode GmbH in München gegründet und nachher gleich dieses Erinnerungs-Selfie gemacht.
Die Gründung in Ägypten
Am 1. Mai 2023 sind Steven und ich nach Kairo geflogen, um den Grundstein für die Gründung unserer ägyptischen Tochtergesellschaft pyraCode Services Egypt LLC zu legen. Es waren sehr intensive, aber auch spannende und vor allem erfolgreiche Tage, Abgesehen von der abendlichen Irrfahrt durch Kairo zu unserem Hotel, weil der Fahrer sich absolut nicht auf Google Maps zeigen lassen wollte, dass er in die falsche Richtung fährt, hat alles reibungslos geklappt. Sogar einer der Behördentermine, bei dem uns gesagt wurde, dass wir mindestens zwei bis drei Stunden Zeit einplanen sollten, war nach weniger als zehn Minuten erledigt. Manchmal braucht man eben auch mal Glück. Darum hatten wir danach umso mehr Zeit für eine Kaffeepause zwischendurch und ein weiteres Selfie.
Auf den Notar mussten wir dann ebenfalls ein bisschen warten, denn wir hatten natürlich ausreichend Zeit zwischen den Terminen eingeplant. Aber es gab viel zu besprechen und wir haben diese Zeit gut für intensive Gespräche nutzen können, insbesondere mit Mahmoud, den wir sonst üblicherweise immer nur online getroffen haben.
Und nachdem wir alle Termine hinter uns gebracht hatten, gab es einen guten Grund, das Erreichen eines weiteren wichtigen Meilensteins mit einem Drink zu feiern.
Steven war in den letzten Jahren mehr im Management tätig und hatte lange selbst nicht mehr als Softwareentwickler gearbeitet. Umso beeindruckender war es, ihn in den Interviews mit den Entwicklern zu erleben, die wir in Kairo eingeladen hatten. Neben seiner Sensibilität für die ägyptische Mentalität hat Steven auch mit seiner fachlichen Kompetenz sehr schnell einen Draht zu den Kandidaten gefunden und konnte relativ schnell beurteilen, wie gut deren Kenntnisse in bestimmten Bereichen wirklich waren.
In jenen Tagen in Kairo hatten wir nicht wirklich Zeit für ein privates Touristenprogramm, da die Termine ziemlich durchgetaktet waren. Aber wir haben uns einfach damit getröstet, dass wir ja in Zukunft noch einige gemeinsame Reisen nach Ägypten machen werden. Und dann würden wir uns natürlich die Zeit nehmen, damit Steven mir mehr von der reichen Kultur seiner „zweiten Heimat“ zeigen kann. Leider werden wir das nun nicht mehr tun können.
Das abrupte Ende einer gemeinsamen Reise
Nach der Gründung der beiden Firmen haben wir sehr schnell schon konkrete Kundengespräche geführt und kontinuierlich eine Datenbank mit talentierten Softwareentwicklern aufgebaut, die bereits ein breites Spektrum an Technologien abdecken. Am 4. Juli 2023 jedoch wurde unsere gemeinsame Reise brutal und völlig unerwartet unterbrochen. Auch in diesem Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe, fühlt es sich immer noch unwirklich an, dass Steven nicht mehr bei uns ist. Natürlich ist der persönliche Verlust der schwerwiegendste. Aber pyraCode war Stevens Vision. pyraCode war Stevens „Baby“. Sollten wir überhaupt ohne ihn weitermachen? Die Antwort auf diese Frage war allerdings sehr schnell gefunden: natürlich machen wir weiter – für Steven! Wir werden unser Bestes geben, um seine Vision zu realisieren.
Der Mensch Steven Feurer
Steven war ein Mensch, den man unbedingt außerhalb des Geschäfts und der Arbeit kennenlernen musste, um ihn wirklich zu kennen. Diejenigen, die dieses Glück hatten, werden sich an ihn als einen sehr sensiblen und humorvollen Menschen erinnern, der darüber hinaus mit seinem unglaublichen Wissen und seiner großen Allgemeinbildung zu beeindrucken wusste. Es gab eigentlich kein Thema, über das man mit Steven nicht intensiv reden und diskutieren konnte. Wenn ich vorher gesagt habe, dass Steven zwei Leidenschaften hatte, IT und Ägyptologie, dann war das eigentlich falsch. Denn er hatte eine Passion für alles, was ihn interessierte. Kultur, Geschichte, Literatur, Politik und vieles mehr. Und vor allem die Musik – ganz besonders Rock und Heavy Metal. Steven hatte selbst früher in einer Band gespielt und war das wandelnde Rocklexikon. Bei dem Thema konnte ich einigermaßen gut mithalten und so hatten wir immer jede Menge Stoff für lange Gespräche jenseits von Business und pyraCode. Auch das wird mir sehr fehlen. In den Tagen nach Stevens Tod als wir überlegt haben, ob und wie wir jetzt weitermachen sollen, habe ich oft überlegt, was er uns wohl sagen würde. Wahrscheinlich hätte er sein typisches Lächeln aufgesetzt und gesagt: „AC/DC stand auch kurz vor der Auflösung, als ihr Leadsänger 1980 starb. Aber dann waren sie in den 40 Jahren danach erfolgreicher als je zuvor“. In diesem Sinne:
🤘 Keep rocking, Steven, wo auch immer du jetzt bist 🤘