Internationalisierung

Internationalisierung erfolgreich planen

Viele Unternehmen beschließen irgendwann, die Landesgrenzen zu überschreiten und in andere Länder und Regionen zu expandieren. In den meisten Fällen geschieht dies mit dem Ziel der weiteren Umsatzsteigerung. Aber der Schritt in ein anderes Land kann auch andere Gründe haben wie beispielsweise niedrigere Personalkosten, der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften im Heimatland oder geschäftsfreundlichere rechtliche, politische und soziale Rahmenbedingungen. Ich möchte mich hier aber mehr auf die folgenden treibenden Faktoren konzentrieren:

  • Schnelleres Wachstum
  • Sättigung des Heimatmarktes
  • Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit
  • Erschließung neuer Märkte mit weniger Wettbewerb und hoher Nachfrage
  • Risikominderung durch weniger Abhängigkeit von nur einem Markt

Die erfolgreiche Internationalisierung eines Unternehmens erfordert eine Menge Vorarbeit. Man muss über die individuelle Internationalisierungsstrategie entscheiden, sich der technischen und kulturellen Herausforderungen bewusst sein und eine klare Zielmarktstrategie entwickeln. 

Welche Strategie soll ich wählen?

Es gibt verschiedene Strategien oder Formen der Internationalisierung. Die einfachste besteht darin, einfach seine Produkte oder Dienstleistungen auf einem ausländischen Markt zu verkaufen. Vielleicht aber möglicherweise nicht unbedingt sofort mit eigener Präsenz durch lokale Mitarbeiter oder einer Niederlassung. Viele Unternehmen agieren schon international, ohne dies wirklich proaktiv zu betreiben, indem sie ihre Produkte online verkaufen und versenden oder zum Download oder in der Cloud bereitstellen. Eine andere Alternative ist das Franchise-Konzept, das Verkaufen von Lizenzen für die Produktion und Vertrieb oder für die Umsetzung des Geschäftskonzepts. In einigen Ländern sind Joint Ventures ein gängiger Weg für den Markteintritt, das heißt die gemeinsame Gründung eines Unternehmens zusammen mit einer lokalen Firma. Oder man eröffnet gleich eine Niederlassung im Ausland. Eine weitere Möglichkeit ist die Gründung einer Tochtergesellschaft, im Grunde eines neuen Unternehmens im Ausland, das rechtlich unabhängig ist, aber von der Muttergesellschaft kontrolliert wird. Die hier beschriebenen Strategien unterscheiden sich sehr stark in Bezug auf Aufwand und Risiko, aber auch hinsichtlich der Kontrollmöglichkeiten.

Die technischen Herausforderungen

Die Internationalisierung bringt jedoch auch viele Herausforderungen mit sich. Das fängt bei lokalen Gesetzen und Vorschriften an, z.B. den Steuern, dem Arbeitsrecht oder Sozial- und Umweltstandards. In den meisten Fällen haben wir es mit unterschiedliche Währungen zu tun. Diese sind in manchen Ländern sehr instabil, was wiederum zu Problemen führen kann, wenn man in lokaler Währung verkaufen will oder muss. Unterschiedliche Sprachen erfordern meist lokales Personal und viel Übersetzungsaufwand. Zoll- und Einfuhrbestimmungen können die Geschäfte erschweren, in manchen Fällen sogar unmöglich machen. Möglicherweise müssen Materialien und IT-Systeme angepasst werden. Die Infrastruktur und die öffentliche Verwaltung vor Ort unterscheiden sich oft stark von denen im Heimatland, was nicht selten sehr viel administrativen Aufwand und Geduld erfordert. Daher macht eine gründliche Analyse des Zielmarktes hier den großen Unterschied. Für die meisten der genannten technischen Herausforderungen gibt es auch technische Lösungen. Einige dieser Lösungen werden recht einfach zu implementieren sein, andere hingegen etwas schwieriger und zeitaufwendiger. Aus meiner Sicht sind jedoch die kulturellen Herausforderungen des Ziellandes oder der Zielregion oft noch viel komplexer.

Die kulturellen Herausforderungen

Die lokalen Sitten, Gebräuche und Traditionen sowie die Arbeitsbedingungen und moralischen Werte können sich sehr stark von denen im Heimatland unterscheiden. Wenn man die lokalen Gewohnheiten nicht kennt oder sie gar ignoriert, kann es in der alltäglichen Kommunikation sehr häufig zu Konflikten und Missverständnissen kommen. Auch die Erwartungen an das Verhalten einer Führungskraft sind in den verschiedenen Kulturen oft sehr unterschiedlich. Ich möchte an dieser Stelle ein paar wenige Beispiele aus meiner eigenen Erfahrung nennen, die das alles ein wenig verdeutlichen sollen. Die Gleichstellung der Geschlechter ist leider nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Ob es uns gefällt oder nicht, aber in einigen Ländern des Mittleren Ostens ist man praktisch gezwungen, Männer in bestimmten Positionen einzustellen, oder man entscheidet sich besser gleich dafür, diese Märkte von der Liste zu streichen. Auch das Verständnis von Work-Life-Balance kann sehr unterschiedlich sein. Während in einigen Ländern rund um die Uhr ohne oder mit nur kleinen Pausen gearbeitet wird, erreicht man in Brasilien in den meisten Fällen niemanden vor 9:30 Uhr und zwischen Mittag und 14 Uhr. In Bulgarien saß ich einmal in einer langen Besprechung mit einem Kunden. Alles wurde ausgiebig diskutiert und es wurden gemeinsame Entscheidungen getroffen. Am Ende fasste ich noch einmal alles zusammen, um das endgültige „Ja“ des Kunden zu bekommen. Darauf sah mich dieser kopfschüttelnd an. Ich war erst einmal schockiert, aber hätte einfach wissen müssen, dass das in Bulgarien nicht anderes als Zustimmung bedeutet. In unseren sogenannten westlichen Kulturen erwartet man von einem Manager, dass er seine Mitarbeiter führt und ihnen Verantwortung überträgt. In anderen Teilen der Welt, wie beispielsweise in vielen asiatischen Ländern, erwarten die Mitarbeiter, dass der Manager alles vorgibt und auch genau überwacht. Manchmal sind die kulturellen Unterschiede nur gering, manchmal jedoch sind sie sehr groß oder gar zu groß. 

Unternehmenskultur und lokale Kultur

Eine der Herausforderungen für jedes globale Unternehmen ist die Entwicklung und Pflege einer einheitlichen Unternehmenskultur unter Berücksichtigung der Besonderheiten der regionalen Kulturen. Viele Unternehmen machen das richtig gut, manch andere tun sich da auch recht schwer. Als ich zwischen 1990 und 2006 für die Intel Corporation gearbeitet habe, hat das aus meiner Sicht in dieser Zeit hervorragend funktioniert. In jedem einzelnen internationalen Büro konnte man die starke Intel-Kultur schon beim Betreten am Empfang spüren. Aber es gab gleichzeitig immer auch die feinen Unterschiede, die die lokale Kultur des jeweiligen Landes ausmachten und respektierten. Ein Grund dafür war sicherlich die Tatsache, dass das Unternehmen starke zentrale Werte definiert hatte und jedes lokale Management-Team diese Werte im Rahmen seiner individuellen Kultur erfolgreich umsetzte und lebte. Das Einstellen der richtigen lokalen Mitarbeiter und Führungskräfte ist sicherlich ein Schlüsselfaktor. Und man muss vor allem offen sein, zu lernen und sich anzupassen.

Fünf Schritte für eine erfolgreiche Internationalisierung

Grundsätzlich gibt es fünf Schritte, die jedes Unternehmen durchlaufen sollte, um eine erfolgreiche Strategie für die Internationalisierung vorzubereiten:

  1. Marktanalyse
  2. Wirtschaftliche Herausforderungen
  3. Sprache und Kultur
  4. Rechtliche Rahmenbedingungen
  5. Online-Präsenz

Schritt 5 war wahrscheinlich noch vor vielen Jahren nicht so wichtig. Heute kann er entscheidend sein. Die Auswahl der Sprache bei Unklarheit bezüglich einer ausgewiesenen Hauptsprache, rechtliche Bestimmungen, fotografische Gepflogenheiten und landestypische soziale Netzwerke und Suchmaschinen sind hier nur einige Beispiele.

Die Zielmarktstrategie

Wenn die Entscheidung über die potenziellen internationalen Märkte gefallen ist, auf die man sich konzentrieren will, muss eine Strategie für den Markteintritt entwickelt werden. Dabei sollten die folgenden Punkte berücksichtigt werden:

  1. Attraktivität und Risiko (Konzentration oder breite Expansion, ähnliche Märkte wie der Heimatmarkt,…)
  2. Form des Markteintritts (Export, Niederlassung, Joint Venture,…)
  3. Timing (First Mover oder Late Follower, Wasserfall oder Sprinkler)
  4. Allokation (zentral vs. dezentral, Standardprodukte/-dienstleistungen vs. Differenzierung/Anpassung)
  5. Koordination (Managementstruktur, Budgetzuteilung,…)

Das Ergebnis kann sein, dass man sich anfangs nur auf zwei oder drei Märkte oder auch erst einmal auf nur einen Markt  konzentriert und mit Freelancern beginnt, die zunächst zentral geführt werden, mit dem Ziel, später eine Niederlassung zu gründen und lokale Managementstrukturen mit mehr Autonomie aufzubauen. Das war zumindest eine Strategie, die ich selbst oft erfolgreich umgesetzt habe.

Internationalisierung bietet Chancen und Risiken

Internationalisierungsstrategien unterscheiden sich primär im Ressourcenaufwand, der notwendigen Expertise und dem potentiellen Risiko. Eine intensive Analyse der lokalen Gegebenheiten auf dem Zielmarkt ist unbedingt notwendig, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden. Je intensiver die Vorarbeiten sind, desto größer sind die Chancen auf langfristigen Erfolg. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass sich manchmal nach einiger Zeit herausstellt, dass man eine falsche Entscheidung getroffen hat. Auch in diesem Fall sollte man den Mut haben, lieber früher als später den “Stecker zu ziehen”. Ganz wichtig: nicht versuchen, die Produkte auf dem Markt „durchzudrücken“ und vor allem “copy and paste” vermeiden, denn das ist in der Regel zum Scheitern verurteilt.

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