Remote-Work ist einer der Begriffe, die nicht nur das Jahr 2020 stark geprägt haben, sondern auch die weitere Zukunft unseres Arbeitslebens weiter prägen wird. Davon bin zumindest ich sehr überzeugt. Natürlich kann man die Kasse im Supermarkt nicht im Home Office bedienen und auch Autos werden zumindest auf absehbare Zeit immer noch in Fabrikhallen produziert. So gibt es unzählige weitere Beispiele von Industrien, in denen Remote-Work gar keine oder nur eine ganz kleine Rolle spielen wird. Aber es gibt eben auch unzählige Branchen, in denen sich die Art der Zusammenarbeit schon in den letzten zwölf Monaten sehr stark verändert hat und sich auch weiter nachhaltig verändern wird. Es gibt nicht wenige Unternehmen, die noch Anfang 2020 große Pläne für neue Bürogebäude hatten und sich heute überlegen, ob sie nicht in ein kleineres Büro umziehen oder Büroflächen im bestehenden Gebäude untervermieten. Dies meine ich nicht bezogen auf die Verkleinerung der Belegschaft, was leider wohl in einigen Fällen auch ein Grund sein kann. Ich rede hier vielmehr von Unternehmen, in denen bereits flexible Arbeitsmodelle umgesetzt wurden. Das bedeutet im Prinzip, dass die Mitarbeiter jetzt überwiegend von zuhause arbeiten, und es gibt nur noch flexible Arbeitsplätze und Konferenzräume in einem stark verkleinerten Büro, in dem man sich nach Bedarf für persönliche Meetings und Workshops trifft.
Remote-Work gab es schon immer
Remote-Work-Modelle sind nicht wirklich brandneu. Darüber hatte ich schon in meinem Artikel “Remote Management – nicht wirklich neu” im Januar 2021 geschrieben. In der Softwarebranche gibt es schon viele Jahre Entwickler-Teams, die auf den gesamten Globus verteilt sind. Im Journalismus ist dies ebenso ein übliches Modell. Auch in den Bereichen Online-Marketing und Call-Center arbeitet man schon seit vielen Jahren mit Remote-Modellen. Im internationalen Vertrieb haben Mitarbeiter schon im Home Office gearbeitet bevor es den Begriff Remote-Work überhaupt offiziell gab. Es macht für die meisten Unternehmen auch wenig Sinn, gleich beim Markteintritt ein Büro zu beziehen. Für viele Unternehmen sind Vertriebsmitarbeiter, die von zuhause aus arbeiten, auch langfristig die einzig vernünftige Lösung. In einem Land wie den USA beispielsweise macht ein zentrales Vertriebsbüro nicht viel Sinn, wenn die Vertriebsmitarbeiter möglichst nah am Kunden sein sollen. Vertreter der Versicherungsbranche hatten bereits ihr Büro im eigenen Keller oder unter dem Dach lange bevor es Email, das Internet oder sogar das Faxgerät gab. Also warum jetzt die ganze Diskussion?
Was sind die Bedenken?
Beim Thema Remote-Work gibt es in den Unternehmen drei große Bedenken. Diese sind „wir verlieren“, „wir wissen nicht“ und „wir kennen nicht“. Man hört leider sehr oft die Befürchtung, dass man durch Remote-Work die Kontrolle über die Mitarbeiter verliert. Das ist eigentlich ein erschreckendes Statement. Es gibt aber auch viele Bedenken, dass es dann nur noch wenig oder überhaupt keine Kommunikation mehr untereinander gibt, dass die Firmenkultur und der Teamgeist verloren gehen und dass man die Mitarbeiter nicht mehr an das Unternehmen binden kann. In vielen Unternehmen weiß man schlichtweg nicht, wie man virtuelle Meetings und Workshops organisiert, die persönlichen Gespräche ersetzt und vor allem neue Mitarbeiter vernünftig einarbeitet und integriert. Außerdem sind die notwendigen Technologien und Arbeits-Tools sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen oft nicht bekannt. Aber woher kommen all diese Bedenken? Auf der Seite der Unternehmensführung sind es auch heute leider oft noch Mikromanagement, Kontrollzwang und Technologiefeindlichkeit. Auf Mitarbeiterseite ist es der eher der Mangel an Selbständigkeit, Selbstmanagement und Erfahrung.
Vorteile von Remote-Work
Bedenkenträger sehen das Glas gerne halbleer. Aber wie so oft kann man auch hier die Vorteile beleuchten und damit das Glas eher halbvoll sehen. Einige Beispiele möchte ich hier aufführen. In der Software-Entwicklung arbeiten die Mitarbeiter typischerweise den Großteil ihrer Arbeitszeit unabhängig von anderen. Das heißt der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin kann sich die Arbeitszeit im Home Office individuell einteilen. Einige Software-Entwickler haben mir gesagt, dass sie von zuhause auch sehr viel konzentrierter arbeiten können als beispielsweise in einem Großraumbüro und damit viel produktiver sind. Ich habe alleinerziehende Mütter kennengelernt, die durch ein flexibles Arbeitsmodell mit Arbeiten aus dem Home Office eine wesentlich bessere Life-Balance erreicht haben. Und das trifft nicht nur auf alleinerziehende Mütter zu. Sucht man neue Mitarbeiter muss man diese in der Regel im örtlichen Umfeld finden oder sie zum Umzug überreden. Ist das heute wirklich noch zeitgemäß? Ich bin überzeugt und kenne auch hier bereits viele Beispiele, dass man gute Mitarbeiter viel einfacher findet, wenn man ihnen ein flexibles Arbeitsmodell anbietet, so dass sie nicht die Möbelpacker rufen und die Kinder zum Schulwechsel zwingen müssen. Welchen Einfluss Remote-Work auf den Straßenverkehr in der Rush-Hour hat, konnte man besonders in der ersten Welle der Corona-Pandemie sehr gut sehen. In Zeiten der Klimaschutz-Diskussion ist dies sicher auch kein unwichtiges Thema.
Bedenken ausräumen
Viele der vorher genannten Bedenken sind leicht auszuräumen. Will man allerdings seine Mitarbeiter wirklich ständig unter Kontrolle haben, sollte man Remote-Work sofort vergessen und weiter einen Management-Stil betreiben, der sicherlich weit größere Risiken birgt als Leute von zuhause arbeiten zu lassen. Natürlich geht nichts über ein persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Dafür kann man sich natürlich weiterhin zu gemeinsamen Bürotagen absprechen. In den meisten Fällen tut es aber sicherlich auch ein Video-Call. Dafür gibt es heute bereits unzählige Tools, ebenso für die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten oder virtuelle Whiteboards. Hier gilt dann aber immer die Regel: Kamera an! Selbst die vielzitierten „informellen Gespräche an der Kaffeemaschine“ kann man virtuell realisieren. Man muss nur offen dafür sein, dass man hin und wieder im Chat mit der Frage angepingt wird: „Hast Du gerade mal zehn Minuten?“. Warum auch nicht mal wieder ganz altmodisch telefonieren? Mit dem Mobiltelefon in der Hand kann man dann auch mal ein paar Meter gehen anstatt Stunden nur auf dem Stuhl sitzend zu verbringen. Pausen sollte man generell nicht vergessen. Es ist ja so herrlich einfach sich von einem virtuellen Meeting direkt ins andere zu klicken. Sinn macht das nicht unbedingt, weil es schon von Vorteil ist, dass man zwischendurch auch mal ein Thema mental abschließen und sich auf das nächste vorbereiten kann. Und eine richtige Firmenkultur wird man auch nicht allein durch ein schickes Bürogebäude und den Gratiskaffee schaffen oder erhalten. Hierfür braucht es ein starkes Management, das diese Kultur jeden Tag vorlebt. Das geht auch über die Entfernung und gilt übrigens genauso für Teamgeist und Mitarbeiterbindung.
Die Welt ist auch hier nicht schwarz-weiß
Natürlich ist Remote-Work nicht für jeden ideal. Wenn zuhause nur der Küchentisch als Home Office dient oder die Firma und die Kollegen das einzige soziale Umfeld sind, ist es wichtig, dass man auch Alternativen anbietet. Und natürlich muss sich ein Team immer wieder regelmäßig auch persönlich treffen. Wer schon Erfahrungen mit ganztägigen Online-Workshops gemacht hat, der weiß wovon ich rede. Die Lösung sind flexible Angebote. Wer gerne nur im Büro arbeiten möchte, soll das tun können. Wer gerne im Home Office arbeiten möchte, weil er sich damit jeden Tag zwei Stunden im Auto spart oder sein Privatleben besser organisieren kann, sollte diese Möglichkeit haben. Natürlich sollte es eine Anzahl flexibler Arbeitsplätze im Büro geben, weil es eben auch für die „Heimarbeiter“ manchmal Sinn macht, im Büro zu arbeiten. Ich bin überzeugt davon, dass flexible Arbeitsmodelle in vielen Branchen der Standard sein werden und dass man sich später sogar irgendwann wundern wird, warum man noch vor ein paar Jahren jeden Tag im Stau oder in überfüllten U-Bahnen stehen musste. Für einige wenige wird Remote-Work vielleicht für immer ein Fluch bleiben, für viele andere wird es ein Segen sein.